Zusammenfassung
Der evangelische Kirchenkreis Düsseldorf plant, die aktuell 23 evangelischen Kirchengemeinden der Stadt zu einer einzigen, großen Kirchengemeinde mit rund 80.000 Mitgliedern zusammenzuführen. Dies bedeutet faktisch die Auflösung der bisherigen Einzelgemeinden und eröffnet neue Möglichkeiten für das kirchliche Leben in Düsseldorf. Zukünftig können sich kleinere, eigenverantwortliche Personalgemeinden unterschiedlicher Prägung und Schwerpunktsetzung bilden, was für die evangelische Präsenz in der Stadt von Bedeutung ist.
Vor diesem Hintergrund wird vorgeschlagen, exemplarisch eine Gemeinde nach Berneuchener Tradition zu gründen. Diese Gemeinde soll sich durch die „Regel des Geistlichen Lebens“, spirituelle Übung und Verbindlichkeit auszeichnen, sich als evangelische Gemeinde der einen, heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche verstehen und Gelegenheit geben, sich in die in der Tischgemeinschaft gefeierte Evangelische Messe einzuüben. Als idealer Ort für die Gründung bietet sich der Joachim-Beckmann-Saal an, der derzeit für Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen genutzt wird und an die Stelle der abgerissenen Bruderkirche getreten ist.
Die Gründung einer solchen Gemeinde soll durch eine Reihe von „geistlichen Frühstücken“ oder „geistlichen Stammtischen“ sowie weiteren Veranstaltungen vorbereitet werden. Auch eine Einbindung in den Kirchentag 2027 in Düsseldorf ist denkbar. Konkrete, vorläufig reservierte Termine sind am Ende dieses Dokuments aufgeführt.
I. Der Joachim-Beckmann-Saal auf dem Weg
zur „Einen Gemeinde Düsseldorf“
Postparochiale Kirche
Mit den Presbyteriumswahlen im Frühjahr 2028 werden alle 23 evangelischen Kirchengemeinden Düsseldorfs in eine große Stadtgemeinde mit etwa 80.000 Mitgliedern überführt. Gemeinde und Kirchenkreis bilden dann eine rechtliche Einheit. Die klassische parochiale Struktur wird aufgehoben: Die einzelnen Gemeinden existieren nicht mehr, es entsteht eine postparochiale Kirche.
Joachim-Beckmann-Saal
Der Joachim-Beckmann-Saal wird aktuell von der Lutherkirchengemeinde genutzt und ist kein klassisch gestalteter Kirchenraum, sondern ein etwa 100 qm großer, ebenerdig zugänglicher Raum mit Vorbereich. Seine Fenster bestehen aus Glasfenstern der abgerissenen Bruderkirche und prägen die Atmosphäre. Ein Gebets- und Bibelkreis trifft sich dort regelmäßig donnerstags um 18:30 Uhr. Der Saal wird außerdem für Veranstaltungen der Diakonie, des Kindergartens und der Seniorenarbeit genutzt.
Im Zuge der neuen Struktur wird der Saal keiner eigenen Gemeinde oder Kirche mehr zugeordnet sein und es wird keine zuständige Pfarrperson vor Ort geben. Das kirchliche Geschehen wird zentral von der Johanneskirche aus gesteuert.
Kirche vor Ort und von unten
Das Gedeihen der neuen Stadtkirchengemeinde hängt davon ab, dass nicht nur zentral gesteuerte Aktivitäten stattfinden. Es braucht eigenverantwortliche, überschaubare und verlässliche Gruppen, Gemeinschaften, Gemeinden und Hauskirchen, die sich selbstständig entwickeln. Hierfür bietet die neue Struktur Chancen, die bisher nicht vorhanden waren. Der Joachim-Beckmann-Saal könnte ein Ort für solche Personalgemeinden werden.
(Noch) Fehlendes Bewusstsein für die Veränderungen
Den meisten Gemeindegliedern und Menschen in Düsseldorf ist das Ausmaß der anstehenden Veränderungen nicht bewusst. Um die damit verbundenen Möglichkeiten zu erkennen und zu nutzen, sind gezielte Informations- und Beteiligungsangebote über einen längeren Zeitraum hinweg nötig. Hierzu wird ein konkreter Vorschlag gemacht.
„Geistliches Frühstück“ oder „Geistlicher Stammtisch“
Als erprobtes Format eignet sich ein „geistliches Frühstück“: Samstags oder sonntags beginnt das Treffen um 9:00 oder 9:30 Uhr mit einem Morgengebet, gefolgt von einem gemeinsamen Frühstück. Gegen 10:00 oder 10:30 Uhr folgt eine thematische Einführung, eventuell mit Präsentation. Das Treffen endet mittags mit einer schlichten Tisch-Abendmahlsfeier.
Abends kann diese Form als „geistlicher Stammtisch“ stattfinden: Die Teilnehmenden kommen ab 18 Uhr informell zusammen, es gibt Getränke und Snacks. Nach der Begrüßung beginnt gegen 20 Uhr die thematische Arbeit, die wiederum mit einer Abendmahlsfeier abgeschlossen wird.
Solche Veranstaltungen sollen dazu beitragen, herauszufinden, wie sich in der „Einen Gemeinde Düsseldorf“ neue Orts- oder Hauskirchen gestalten lassen und ob sich genügend interessierte und verbindliche Personen finden. Die organisatorische und rechtliche Form wird sich im Verlauf der Zeit herausbilden.
Denkbare Themen
· Die Spandauer Ladenkirche von Ernst Lange: Gemeindeleben außerhalb klassischer Kirchenräume.
· Die Berneuchener Bewegung: Entstanden in den 1920er-Jahren, mit dem Leitsatz „Wir können an der Kirche nur bauen, wenn wir selber Kirche sind“ – ein Modell für postparochiales kirchliches Leben.
· Die ghanaische presbyterianische Gemeinde: Gemeindeleben ohne zwingend fest zugeordnete Pfarrperson, geprägt durch die aktive Gestaltung des Gottesdienstes durch die Gemeinde selbst.
Weitere Themen sind denkbar und können auf Vorbilder und Inspiration für neue Gemeindeformen eingehen. Ziel der geistlichen Frühstücke und Stammtische ist es, eine Vorstellung davon zu entwickeln, wie eine neue Orts- oder Hauskirche gestaltet werden kann. Dieser Prozess braucht Zeit und ist offen für Entwicklungen.
II. Gründung einer Gemeinde nach Berneuchener Tradition
Vielfalt und Erkennbarkeit
Die Evangelische Kirche strebt nach Vielfalt und Flexibilität, um unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen. Daraus kann sich jedoch die Gefahr ergeben, dass das spezifisch Evangelische und das kirchliche Profil verloren gehen. Die neue Struktur ermöglicht es, dass kleinere Gemeinden und Gemeinschaften ihre Traditionen – ob lutherisch, reformiert, evangelikal, liberal, missionarisch oder andere – zum Kennzeichen machen und so das Gesamtbild der evangelischen Kirche prägen.
Die Berneuchener Tradition
Eine mögliche Tradition ist die bekenntnisungebundene Berneuchener Tradition. Entstanden aus den Berneuchener Konferenzen (1923–1930), steht sie für das Motto: „Wir können an der Kirche nur bauen, wenn wir selber Kirche sind.“ Kennzeichnend sind:
· Evangelische Grundüberzeugungen: Rechtfertigung aus Gnade, Wort Gottes, evangelische Freiheit, Priestertum aller Getauften.
· Bekenntnis zu der einen Kirche: Zugehörigkeit zur einen, heiligen, allgemeinen (katholischen) und apostolischen Kirche.
· Spirituelle Übung: Gelassenheit und Wachheit durch Stille, Lesen, Meditation und Kontemplation.
· Gebet: Psalmengebet in gregorianischer Tradition.
· Gottesdienste: Feier der evangelischen Messe als Gottesdienst der abendländisch-westkirchlichen Tradition
· Liturgische Sorgfalt: Historisch gewachsene und sich weiterentwickelnde Liturgie prägt das geistliche Leben.
· Bibelkenntnis: Vertrautheit mit der biblischen Geschichte.
· Evangelische Freiheit und Verantwortung: Entsprechend den eigenen Gaben handeln.
· Verbindlichkeit und Verlässlichkeit: Gegenseitige Unterstützung innerhalb der Gemeinschaft.
Eine Gemeinde in Berneuchener Tradition gibt es bisher nicht
Bisher existiert keine Gemeinde in Berneuchener Tradition, da die Berneuchener ihre Bindung an bestehende Gemeinden priorisierten. Im postparochialen System ist es nun notwendig, eigene Gemeinden oder vergleichbare Strukturen zu schaffen, damit die Tradition weiterleben kann. Die Entwicklung dieser Gemeindeform soll durch die bereits beschriebenen Veranstaltungsformate begleitet werden, um gemeinsam Visionen für die Zukunft zu entwickeln. Themen könnten u. a. sein: Evangelisch und Katholisch, Gelassenheit und Wachheit, Das Gebetbuch Israels, Gottesdienst und Liturgie, Bibellesen, Freiheit und Verlässlichkeit.
Der Zeitplan
Es erscheint sinnvoll, den Joachim-Beckmann-Saal frühestens ab 2026 für dieses Vorhaben zu nutzen, damit die Anwohner einen Bezug zu diesem Ort entwickeln können. Der Kirchentag im Mai 2027 in Düsseldorf könnte in den Prozess eingebunden werden und eine Möglichkeit bieten, erste Ergebnisse zu präsentieren.
Vorläufige Termine im Joachim-Beckmann-Saal
· 21. Januar 2026: Ernst Lange und die Ladenkirche in Spandau
· 25. Februar: Die Presbyterian Church of Ghana – Gemeinde ohne Pfarrer
· 19. März: Die Berneuchener Bewegung – an der Kirche bauen
· 15. April: Hauskirche und Ortskirche
· 20. Mai: „Üben“ in Bibel, Philosophie und Theologie
· 17. Juni: Gelassenheit und Wachheit
· ggf. 15. Juli: …
· 16. September: Seine Geschichte, meine Geschichte, unsere Geschichte
· 14. Oktober: Das Gebetbuch Israels und der „Atem der Seele“
· 11. November: 2000 Jahre Gottesdienst
· 13. Januar 2027: Rechtfertigung und Berufung / Vertrauen und Verantwortung
· 17. Februar: „Schwestern und Brüder“
· 17. März: …
· 2.–4. April: Werkstatt-Wochenende zur Vorbereitung des Kirchentags
· 5.–9. Mai: 40. Deutscher Evangelischer Kirchentag in Düsseldorf (Nutzung des Saals noch offen)
· 23. Mai (Trinitatis-Sonntag): Abschlussfest und Gemeindegründung
Der Planungsprozess steht noch am Anfang; Verschiebungen sind möglich.
Stephan Sticherling, Düsseldorf, im Mai 2025
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