Lukas 2,1-20 - Christmette 2023 (VI)

Die handelnden und nicht handelnden Personen der Weihnachtsgeschichte:

 

AUGUSTUS: Seine Herrschaft war eine Blütezeit des römischen Imperiums, eine Zeit des inneren Friedens und des Wirtschaftswachstums. Das Imperium strotzte vor Selbstbewusstsein. Alles schaute nach Rom, eine echte Weltstadt und selbst für heutige Verhältnisse eine riesige Stadt. Augustus nannte sich Friedenskaiser; die von ihm geschaffene Pax Augusta bezeichnete - nach einer langen Zeit brutaler Bürgerkriege - einen über Jahrhunderte dauernden inneren und stabilen Frieden. Völlig unbemerkt und in einem der letzten Winkel des riesigen Reiches kommt Jesus zur Welt. Lukas lässt die Geschichte seines Doppelwerkes - Evangelium und Apostelgeschichte - in Rom enden. Rom, das Zentrum der Macht, ist das Ziel. Lukas hat sein Werk um 80 geschrieben. Er könnte da noch nicht ahnen, dass die Kirche Jahrhunderte später das römische Weltreich gewissermaßen beerben würde. Aber schon jetzt lässt er seine Erzählung strikt auf Rom zulaufen - als wollte er damit sagen: Wer wirklich die Macht hat, ist noch lange nicht ausgemacht. Während also Augustus auf dem Höhepunkt seiner Macht ist, wird unbemerkt der geboren, dem einmal die Macht übergeben werden muss. 

 KYRENIOS/QUIRINIUS: Der kommt ja in dieser Geschichte nicht wirklich vor. Aber Lukas liebt es, konkrete Zeit- und Ortsangaben zu machen, und das Datum wurde gewöhnlicherweise nach jeweils amtierenden Amtspersonen benannt. So macht der Evangelist klar, dass seine Erzählung nicht im luftleeren Raum jenseits der der tatsächlichen Geschichte stattfindet, sondern in ihr drin ihren Platz hat und sich zu einer bestimmten, genau zu benennenden Zeit ereignet. Sie ist also nicht ausgedacht, sie ist wirklich passiert und es lässt sich exakt sagen, wann und wo. Sie ist eine wirkliche, keine ausgedachte Geschichte. 

 

JOSEPH: Der kommt in der Geschichte vor, aber als Statist, kaum mehr als Ochse und Esel. Er ist wichtig, weil über ihn der Bezug zur Davids-Nachkommenschaft läuft. Aber da er ja nicht der leibliche Vater Jesu ist, hängt er ein bisschen in der Luft und die Geschichte käme theoretisch auch ohne ihn aus. Was Maria allerdings bösen Gerüchten ausgesetzt hätte - eine schwangere Frau ohne Mann? … und ohne Joseph hätte sie natürlich niemals den Weg von Nazareth nach Bethlehem geschafft. Also lassen wir ihn in der Weihnachtskrippe stehen. 

DIE HIRTEN: Die konnten nun wirklich nichts dafür, dass sie eine zentrale Rolle in der Weihnachtsgeschichte spielen sollten. Die waren einfach zufällig in der Nähe, zu rechten Zeit am richtigen Ort. Der große evangelische Theologe des 20. Jahrhunderts, Karl Barth, hat davon gesprochen, dass, wenn einen das Wort Gottes trifft, dass es ihn "senkrecht von oben" trifft. Senkrecht von oben meint, das Wort Gottes trifft einen völlig unvorbereitet, ohne Voranzeichen, ohne dass man sich darauf einstellen konnte, völlig unerwartet, völlig überraschend. So ist das immer in der Bibel, wenn Gott Menschen anspricht, und warum gerade sie es sind, wissen sie selber nicht. Diese Botschaft des Engels wird unterstützt durch den Auftritt der kompletten himmlischen Kantorei der Engel mit einem sagenhaften Gloria, dass dann zum festen Bestandteil unserer sonntäglichen Liturgie wurde: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.  

 

MARIA: Auch sie kann nichts dafür, dass sie die Rolle übernehmen muss, die Gott für sie sie ausersehen hat. Aber sie lässt es geschehen. Sie wird damit zu einem Urbild des Glaubens, auch zu einem Urbild der Kirche. Glauben heißt nach Maria: Zulassen. Gott an sich geschehen lassen. Gottes Willen an sich geschehen lassen. In dem sie Gott zulässt, bringt sie Christus zur Welt. So, wie wir, als Kirche, Christus zur Welt bringen, indem wir Gott zu lassen. Es sieht ganz danach aus, dass seine Mutter für Jesus eine wichtige Rolle spielt. Sie hat ihn aufwachsen und ihn zu dem werden lassen, der er dann geworden ist. Das war nicht frei von Spannungen und die biblischen Erzählungen deuten an, dass es zwischen ihr und ihrem Ältesten nicht immer einfach war. Aber sie hat ihn offensichtlich zeit seines Lebens begleitet - und sie war dabei, als nach Ostern sich die Apostel, die Geschwister Jesu und die Frauen in Jerusalem trafen, und darauf warteten, dass der Geist Gottes sein Werk tut. Maria spielt, auch aus Sicht von uns Evangelischen, eine Schlüsselrolle in der Geschichte Jesu. 

 

JESUS: Auch Jesus gehört nicht zu den handelnden Personen der Weihnachtsgeschichte. Aber es dreht sie alles um ihn. So ist das, wenn Babys geboren werden, alles dreht sich erst mal um sie, alle bewundern den Kleinen, alle sind entzückt und angerührt, über das neue Leben, dass da plötzlich mitten unter ihnen ist. Und dann ist es der große Gott selbst, der als Kind in diese Welt kommt. So ganz anders als wir uns das vorstellen. Nichts von Größe, nichts von Pracht, nichts von Herrlichkeit. Ein kleines und sehr normales Kind. Die Menschen damals erwarteten den Messias. Und sie dachten sich, wenn er kommt, dann wird das etwas ganz Großes sein. Dann werden sich die Tore des Himmels weit öffnen und er wird in seiner Majestät und Würde auf der irdischen Bühne erscheinen. Aber schon der Prophet Jesaja wusste, dass der Kommende nicht groß, sondern ganz klein, unauffällig, unscheinbar kommen würde: “Denn uns ist ein Kind geboren...” - Das Besondere ist, dass dieses Kind auf Menschen angewiesen ist, ohne die es keine Chance hätte, ins Leben zu kommen. Gott braucht Menschen, um in die Welt zu kommen. 

 

WIR: Lukas hat die Geschichte so erzählt, dass rechts oder links neben den Hirten noch für uns Platz ist, um mit ihnen zur Krippe zu wandern. So ist es zu unserem Weihnachtsfest gekommen, denn was wir gerade tun, ist nichts anderes als das. Wir feiern Weihnachten, um mit den Hirten zur Krippe zu gehen. Man muss es sich klar machen: Wenn die Hirten das nicht getan hätten, wenn sie die Botschaft des Engels ignoriert hätten, wenn sie einfach so weitergemacht hätten, ohne sich weiter darum zu kümmern, und: wenn wir es nicht tun würden, wenn uns die Weihnachtsgeschichte egal wäre und sie uns nichts anginge, wenn wir so weiter machen wie immer, dann hätte Jesus keine Chance, unter uns aufzuwachsen und groß zu werden. Er kommt nicht über unsere Köpfe hinweg in die Welt. Er braucht uns dafür. Wir lassen ihn in die Welt kommen und groß werden. Wir spielen für Ihn eine Schlüsselrolle. Wir wollen uns nicht kleiner machen als wir sind. Auch wir sind Teil der Weihnachtsgeschichte. Auch auf uns kommt es an. 

 

Und dann gibt es noch einen Nachtrag zu den Personen der Weihnachtsgeschichte – DIE GELEHRTEN AUS DEM OSTEN, die Weisen aus dem Morgenland. Von ihnen erzählt nicht Lukas, sondern Matthäus in seiner Weihnachtsgeschichte. Die Hirten, einfache Landbevölkerung aus der unmittelbaren Nähe, waren nicht die einzigen Adressaten der Weihnachtsbotschaft. Völlig überraschend tauchen da Leute auf, die aus einer ganz anderen Welt kommen, die mit Israel und Bethlehem und Nazareth überhaupt nichts zu tun haben. Sie werden als “Magier” vorgestellt, hoch gelehrte priesterliche Theologen, Angehörige einer Bildungselite. Sie betreiben Wissenschaft, sie deuten die Sterne. Dabei entdecken sie einen besonders markanten Stern, aus dem sie die Geburt eines besonderen, zum König bestimmten Menschen herauslesen. Sie suchen – und finden ihn! Die Völker der Welt nehmen ihn wahr und beten ihn an, genauso, wie es die Hirten tun. Auch sie beteiligen sich daran, dass Gott, der in der Gestalt dieses Kindes zur Welt gekommen ist, unter uns groß wird. Darum feiern wir Weihnachten, damit Jesus unter uns aufwächst und groß wird und zum Herrn wird, in dem wir Gott begegnen. 

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