Warum wir die katholische Kirche brauchen

Als jemand, der von klein auf in der evangelischen Kirche aufgewachsen ist, gehöre ich gleichwohl zu denen, die davon überzeugt sind, dass wir im Rheinland, auch wir Evangelischen, eine selbstbewusste und lebendige katholische Kirche brauchen. Ich weiß nicht, wie viele katholische Freundinnen und Freunde und Geschwister ich habe, nicht nur aus meiner Zeit in Altenberg, die mich inspiriert, angeregt und das Glauben gelehrt haben. Ich weiß nicht, wie viel katholische Literatur ich im Laufe meines Lebens zur Kenntnis genommen habe. Ich brauche nur auf mein Bücherregal zu schauen. Ich weiß nicht, in wie vielen wirklich bewegenden katholischen Gottesdiensten ich gewesen bin und in manchen habe ich mitgewirkt.

 

Katholisch ist für mich nicht das Pflichtzölibat, nicht die Sexualmoral, nicht die Benachteiligung der Frauen, nicht die Hierarchie, nicht Rom und nicht einmal der Papst. Katholisch ist etwas ganz anderes. Es kann ja kein Zufall sein, dass von denen, die jetzt aus der katholischen Kirche austreten, kaum jemand in die evangelische Kirche übertritt, es ist ja kaum noch erkennbar, wer wir wirklich sind.

 

Katholisch ist die Treue zur durch die Jahrhunderte gewachsenen abendländischen, west- und weltkirchlichen Kultur. Während wir Protestanten uns auf das absolut Wesentliche konzentrieren, bewahrt die katholische Kirche die Fülle des überlieferten Reichtums. Beides hat seinen tiefen Sinn.

 

Katholisch ist die unvergleichliche Gottesdienstkultur. Die katholische Messe und die geübte Vertrautheit der katholischen Christen mit ihr ist einzigartig. Ob in Manila, Krakau, New York, Rio, Dublin, Düsseldorf oder sonst wo - überall würden sie trotz der anderen Sprache ihren Gottesdienst wiedererkennen.

 

Katholisch ist ein unglaublicher Reichtum an spiritueller Erfahrung, von dem wir Evangelischen in hohem Maß profitieren. Wer wären wir denn ohne die vielen Impulse aus unserer katholischen Nachbarschaft?

 

Katholisch ist für mich ein ebenso großer Reichtum an wirklich guter Theologie, vieles davon nicht gerade unter kirchenamtlichem Beifall und trotzdem im besten Sinne katholisch.

 

Katholisch ist auch - und jetzt bitte ich meine evangelischen Freunde, mal wegzuhören - die apostolische (genauer: bischöfliche) Sukzession. Sie ist ein hohes Gut, dass unbedingt zu bewahren ist. Dass sie für uns Evangelische kein Maßstab sein und nie einer werden kann und das Amt bei uns anders begründet wird, ist - so sehe ich das - kein Hindernis für die gegenseitige Anerkennung und Würdigung des Amtes.

 

Wenn Frauen zum Priesteramt zugelassen, das Pflichtzölibat aufgegeben, synodale Strukturen ermöglicht, eine weitestgehende Mitwirkung der Glaubenden eingerichtet und nichtkatholische Getaufte zur Eucharistie eingeladen würden, ginge damit nichts von dem verloren, was die katholischen Kirche zu dem macht, was Sie ist. (Ich gehöre übrigens nicht zu denen, die den "synodalen Weg" von vorneherein für gescheitert halten.)

 

Wenn ich solche Zeilen schreibe, befinde ich mich keineswegs “auf dem Weg nach Rom“ (und nach Rom schon gar nicht). Ich weiß sehr genau, warum ich meiner knochentrockenen spröden evangelischen Kirche verbunden bleibe. Die wird ein Leben lang meine Heimat bleiben.

Aber ich wünsche den Schwestern und Brüdern, dass die (sich zur Zeit wohl noch immer verschärfenden) Krise ihres Kölner Erzbistums zum Beginnen einer umfassenden Erneuerung wird. Wir brauchen euch.

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