Mut zur Volkskirche - Mut zur öffentlichen Kirche!

Der öffentliche Nahverkehr heißt so, obwohl die Mehrheit Auto (oder Fahrrad) fährt. Es gibt öffentlich-rechtliche Medien, obwohl die meisten auf RTL oder Netflix umgeschaltet haben. Ohne öffentliche Einrichtungen zerfällt jede Gesellschaft in sich gegenseitig verdrängende Interessengruppen. In gleicher Weise braucht es auch die Volkskirche als öffentliche Kirche!

Auf der Rheinischen Landessynode wurde dagegen das Ende der Volkskirche ausgerufen. Grund dafür ist zum einen die fatale Verwechslung von “Volkskirche“ und “Mehrheitskirche“. Zum anderen die tiefe Verunsicherung unserer Kirche, die nicht mehr den Mut hat, Profil zu zeigen und selbstbewusst aufzutreten.

 

Die Zeit der Mehrheitskirche mag in der Tat vorbei sein. Aber es ist nicht die Mehrheitskirche, die die Volkskirche ausmacht. Sie nimmt eine Funktion wahr, die für die Gesellschaft unentbehrlich ist. Sie hält den Himmel offen. Sie hält den Zugang zu Gott frei auch für Menschen, die sich in aller Regel nicht für ihn interessieren. Sie vergegenwärtigt die Tradition des Christentums, von der unsere Zivilisation zutiefst und nachhaltig geprägt ist und die die Menschen unabhängig von ihrem persönlichen Glauben beschäftigt (vgl. den aktuellen Kinofilm “Das neue Evangelium“). 

                     

Wenn die Kirchen diese Rolle nicht mehr wahrnehmen wollen oder meinen, sie nicht mehr ausfüllen zu können, dann öffnen sie damit möglicherweise unkontrollierten Geistern und Mächten Tor und Tür, von denen wir nicht wissen, welche mehr oder weniger verheerenden Folgen sie haben werden (und ich meine, dass es dafür schon erste Anzeichen gibt). Wir haben als Kirche eine öffentliche Verantwortung, die wir unseren Zeitgenossen schulden und der wir uns nicht entziehen können. Es ist ein Irrtum zu meinen, der Mensch könne seine Rückbindung (“re-ligio“) frei nach John Lennon (“Imagine there's no heaven“) wie eine entbehrliche Last von sich werfen. Sie gehört zu seinem Wesen als Mensch dazu.

 

Tatsächlich war es aber schon zu Zeiten der Reformation und seitdem immer nie mehr als eine Minderheit, die, gewissermaßen stellvertretend, den christlichen Glauben und die Kirche lebendig und offen gehalten haben. Aber genau damit ist sie der Aufforderung Jesu aus der Bergpredigt nachgekommen, Salz der der Erde und Licht der Welt zu sein. Das ist es, was wir selbstbewusst und entschlossen sein wollen und können.

 

Damit das möglich ist, ist viererlei unverzichtbar:

 

- das Festhalten an der Ortsgemeinde als verlässlicher Ort der persönlichen Begegnung und der dauerhaften persönlichen Beziehungen;

 

- die Neu- oder Wiederentdeckung der Hauskirche oder Basisgemeinde, der kleinen und verbindlichen Gruppe als Ort der Praxis, der Ein- und Ausübung des christlichen Glaubens;

 

- die Ermutigung und Anleitung zum Priestertum der Getauften, damit sie für Kirche und Glauben Verantwortung übernehmen;

 

- die Wertschätzung des Pfarramtes, weil wir dafür qualifizierte und gut ausgebildete Menschen brauchen, die die Herausforderungen annehmen.

 

Wir sind Volkskirche. Wir bleiben Volkskirche. Wir wollen Volkskirche sein. Das ist der Auftrag an uns. Wir nehmen ihn wahr.

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