Gute Nachrichten für eine überforderte Menschheit

Predigt über Hesekiel 37,24-28 am Heiligen Abend 2019 in der Ev. Kirche SG-Ketzberg

 

„Fürchtet euch! Siehe, ich habe keine guten Nachrichten für euch. Ihr werdet keinen finden, der euch die Welt rettet. Da müsst ihr euch schon selbst drum kümmern. Und eigentlich ist es dafür fast schon zu spät!“

 

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir diese Worte dem Engel in den Mund legen, dann hören die Hirten ihn nichts anderes sagen als das, was wir tagtäglich durch die Medien zu hören bekommen. Dann wäre Weihnachten nichts anderes als ein Appell, sich endlich mal zu kümmern. Endlich mal was zu machen. Endlich mal die Ärmel hoch.

 

Aber deswegen sind wir nicht hier. Dafür brauchen wir diesen Gottesdienst nicht. Wir hören etwas ganz anderes, etwas, das wir uns selbst gar nicht sagen können. Etwas, was nur deswegen hören, weil es Gott selbst ist, der das sagt.

 

„Fürchtet euch NICHT! Siehe ich verkünde euch große Freude. Sie wird allem Volk widerfahren – und sie wird es. Den euch – EUCH! – ist er geboren. Ihr WERDET finden das Kind…“

 

Der Engel verkündet etwas, was er gar nicht in Worte fasst. Was man zwischen den Zeilen hören muss. Nämlich, dass wir die Welt gar nicht mehr retten können. Wir müssten sie retten, sie geht verloren. Aber wir sind völlig überfordert. Und deswegen greift Gott massiv ein. Er lässt ihn geboren werden, der die Welt rettet. Und damit sind wir aus dem Schneider. Wir können erst mal tief Luft holen. Er wird sich kümmern. Das ist es, was wir hier feiern.

 

Die klugen Leute, die die Bibeltexte aussuchen, über die gepredigt werden soll, haben für heute einen Abschnitt aus dem Buch des Propheten Hesekiel ausgewählt. Man weiß erst mal nicht, was der mit Weihnachten zu tun hat. Man muss schon genauer hinhören. Aber hören sie selbst:

 

„24 Mein Knecht David soll ihr König sein und der einzige Hirte für sie alle. Und sie sollen wandeln in meinen Rechten und meine Gebote halten und danach tun. 25 Und sie sollen wieder in dem Lande wohnen, das ich meinem Knecht Jakob gegeben habe, in dem eure Väter gewohnt haben. Sie und ihre Kinder und Kindeskinder sollen darin wohnen für immer, und mein Knecht David soll für immer ihr Fürst sein. 26 Und ich will mit ihnen einen Bund des Friedens schließen, der soll ein ewiger Bund mit ihnen sein. Und ich will sie erhalten und mehren, und mein Heiligtum soll unter ihnen sein für immer. 27 Meine Wohnung soll unter ihnen sein, und ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein, 28 damit auch die Völker erfahren, dass ich der HERR bin, der Israel heilig macht, wenn mein Heiligtum für immer unter ihnen sein wird.“

 

Der Prophet Hesekiel lebte und wirkte über ein halbes Jahrtausend vor Jesu Geburt. Er war damals weiter von ihm weg als für uns das Zeitalter der Reformation. Und doch hat er, was er selbst natürlich nicht wusste, von ihm gesprochen: „Mein Knecht David soll für immer ihr Fürst sein.“ Diese Worte sprach er zu den Menschen im babylonischen Exil, die genauso völlig überfordert waren wie wir heute. Die nur noch Angst hatten. Die nicht wussten, was jetzt kommt. Die alles verloren hatten und wussten, dass sie daran selbst schuld waren. Aus dem Land, dass Gott ihnen gegeben hatte, waren sie vertrieben. Die Stadt und der Tempel, der Zion, wo Gott wohnte, wo er zu Hause war, alles lag in Trümmern. Und wie ihre Zukunft, als Vertriebene, die sie waren, in einer fremden Kultur, unter fremden Menschen mit einer fremden Sprache aussah, wussten sie nicht. Sie hatten nichts. Sie hatten nur Angst. Und wenn solche Menschen dann das hören: „Sie sollen wieder in dem Lande wohnen, in dem eure Väter gewohnt haben. Sie und ihre Kinder und Kindeskinder sollen darin wohnen für immer. Meine Wohnung soll unter ihnen sein, und ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein.“ – wenn sie das hören, wie werden sie darauf reagieren? Werden sie das ernst nehmen? Oder werden sie sagen: Zu schön um wahr zu sein. Sie werden also genau so vor solchen Worten stehen wie wir vor der Botschaft der Engel an die Hirten: Werden wir sie ernst nehmen? Oder werden wir sagen: Zu schön, um wahr zu sein.

 

Der für uns wichtigste Satz kommt aber erst noch im letzten Vers: „damit auch die Völker erfahren, dass ich der HERR bin, der Israel heilig macht, wenn mein Heiligtum für immer unter ihnen sein wird.“

 

Dazu muss man wissen, dass die Israeliten vor dem Exil sich nicht so ganz viele Gedanken über Gott machten. Gott war der, der sie aus Ägypten geführt hatte und ihnen das Land gegeben hatte. Mehr wollten die gar nicht wissen. Das reichte ihnen und so war’s gut. Wer er war und wie und ob er die Welt geschaffen hat und so, dass war nicht so wichtig. Aber jetzt, in der Krise, wo all das weg war, was sie mit Gott verbanden, da kamen sie ins Grübeln. Da fingen sie an zu fragen: Wer ist Gott eigentlich? Da entdeckten sie, der, der die ganze Welt geschaffen hat, der ist genau der Gleiche. Und wenn er die ganze Welt geschaffen hat, dann hat er auch die anderen Völker geschaffen und dann müssen die anderen Völker irgendeine Beziehung zu ihm haben. Und sie ahnten: Ja, es geht um sie selbst, um Israel – aber eben auch um die Völker. Es geht um die ganze Welt. Auch die Völker, auch wir sollen erfahren, dass er der Herr ist. Er rettet Israel, damit sie und wir erfahren, er ist der Herr.

Mit Weihnachten fängt die Geschichte an, wie der Gott Israels, der Gott, der Israel aus Ägypten befreit hat, zum Gott der Völker und zu unserem Gott wird. Das ist eine lange Geschichte, aber sie fängt da an, im Stall von Bethlehem. Ohne sie wäre der Gott Israels nicht unser Gott. Er wurde erst durch den in Bethlehem Geborenen auch zu unserem Gott. Noch ist er ein kleines, schutzbedürftiges Kind. Aber es wird größer werden. Es wird uns in die Pflicht nehmen. Er wird die Welt retten, aber nicht ohne uns. Und du musst eine Entscheidung treffen – ich sage du, weil Gott uns duzt und wir ihn ja auch. Du musst eine Entscheidung treffen, ob du die Botschaft der Engel an die Hirten ernst nimmst. Oder ob du sagst, brauchen wir nicht, kriegen wir so hin. Oder: Wird schon nicht so schlimm sein. Oder: geht eh alles den Bach runter. Das ist die Entscheidung, die du treffen musst: Ob du dem Kind von Bethlehem traust und Gott auch dein Gott wird oder bleibt - oder nicht.

 

Du musst diese Entscheidung nicht heute Abend treffen. Aber du musst sie treffen. Jetzt aber, an diesem Heiligen Abend ist erst mal dran, Gott anzubeten und dem Kind die Ehre zu geben. Das wollen wir nun tun. Der Friede des Kindes von Bethlehem bewahre eure Herzen. 

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