Ein Modell für die Zukunft der Kirche

Die Volkskirche, die ihre Basis in der kirchensteuerpflichtigen Mitgliedschaft hat, liegt bald hinter uns. Vor uns liegt eine neue Gestalt der Kirche. Sie gründet sich auf die Verabredung, gemeinsam den christlichen Glauben entschlossen und verlässlich zu leben und zu gestalten. Sie wird eine Minderheit sein. Aber eine starke und selbstbewusste Minderheit. Gewiss - Das Alte wird noch eine ganze Weile dauern. Aber die Umrisse des Neuen sind schon zu erkennen.

Deswegen bin ich gewiss, dass die Evangelische Michaelsbruderschaft ein (nicht: das) Modell der kommenden Kirche ist. 1931 wurde sie gegründet, indem sich einige wenige Männer in Marburg dazu zusammengetan haben. Dies sollte ursprünglich geschehen, um das gemeinsame europäische, westkirchliche - manche sagen auch "abendländische" - christliche Erbe zu wahren und zu erhalten. Sie hatte also eher restaurativen und konservativen Charakter. Heute dagegen nimmt sie zunehmend die Aufgabe war, die zukünftige Gestalt der Kirche vorwegzunehmen.

 

Die Michaelsbrüder sind kein Orden, sondern eine Bruderschaft, eine Gemeinschaft von Männern. Sie leben zu Hause in ihren Familien, gehen ihren Berufen nach und treffen sich regelmäßig - in der Regel viermal im Jahr zu ihren Konventen (der wichtigste ist das Michaelsfest Ende September/Angang Oktober). Es gibt auch Gemeinschaften von Frauen und Männer, die sich an die Regel der Michaelsbruderschaft halten, die heißen dann "Gemeinschaft St. Michael". Ich persönlich habe mich aber für die Gemeinschaft von Männern entschieden.

 

Zu den Michaelsbrüdern gehören Mitglieder der evangelischen, katholischen, altkatholischen Kirche, aber auch der Freikirchen. Ihr geistliches Zentrum ist das auf halbem Weg zwischen Stuttgart und Bodensee gelegene Berneuchener Haus Kloster Kirchberg. 

 

Wenn die Michaelsbrüder in ihrem Konvent zusammen kommen, haben sie das Kreuz der Bruderschaft um. Beim gemeinsamen Gebet und in den Gottesdiensten tragen sie den Chormantel. Sie pflegen den gregoranischen Psalmengesang (in der Tradition der Benedikterabtei Münsterschwarzach und des früheren Essener Gregorianik-Forschers Godehard Joppich).

 

Der Gottesdienst in der Michaelsbruderschaft ist einer einfachen Form der katholischen Messe ähnlich, stellt aber eine eigene liturgische Tradition dar, in der das gemeinsame westkirchliche gottesdienstliche Erbe zum Ausdruck kommen soll.

 

Einer der Mitbegründer der Michaelsbruderschaft war der Münsteraner praktische Theologe und spätere Oldenburger Bischof Wilhelm Stählin. Er und Karl Barth, die für kurze Zeit in Münster Kollegen an der Fakultät waren, haben sich gegenseitig sehr kritisch gesehen. Deswegen stehen Christinnen und Christen, die sich der Theologie Karl Barths und der Bekennenden Kirche verpflichtet fühlen, der Michaelsbruderschaft eher kritisch gegenüber - während ich persönlich die Auffassung vertrete, dass "Barmen" und "Berneuchen" sich wunderbar ergänzen.

 

Stählin hat für Menschen, die sich nicht geschwisterschaftlich binden wollen und können, aber im Alltag ihr Christsein verbindlich leben wollen, die "Regel des geistlichen Lebens" verfasst. Sie besteht aus sechs Sätzen, die heute zwar der Sprache nach und theologisch überholt sind, aber im Kern sehr genau treffen, wie verbindliches christliches Leben heute aussehen könnte. Mein Vorschlag, der aus zwölf (drei mal vier) Sätzen besteht, geht auf diese sechs Sätze zurück. Mit dessen Hilfe möchte ich Menschen Mut machen, entschlossen den Weg hin zu der neuen Gestalt der Kirche zu gehen.

 

Hier dokumentiere ich Wilhelm Stählins sechs Sätze der "Regel des geistlichen Lebens":

  • Ich weiß, dass mein Leben fester Zeiten der Ruhe, des Schweigens, der Sammlung bedarf. Ich will treu darin sein, mein Leben in solcher Ordnung zu führen.

  • Ich will mich durch nichts abhalten lassen, täglich nach festem Plan in der Heiligen Schrift zu lesen.

  • Ich will alle Tage Gott loben und ihm danken, ihn um Erkenntnis seiner Wahrheit und seines Willens bitten und mich im Gebet ordnen, reinigen und stärken lassen. Ich will auch der Menschen, mit denen ich verbunden bin, meiner Kirche und meines Volkes im Gebet vor Gott gedenken.

  • Ich will, wo und wie es mir möglich ist, an dem Leben der christlichen Gemeinde, an ihrem Gottesdienst und an der Feier des Heiligen Mahles teilnehmen und halte mich bereit für den Dienst, zu dem ich gerufen werde.

  • Ich bin ernstlich bemüht, mein ganzes Leben in Haus und Beruf und alles, was ich rede und tue unter die Verantwortung vor Gott stellen, Unordnung und Unrecht zu meiden und allen denen, die meiner Hilfe bedürfen, um Christi willen zu dienen.

  • Ich bin bereit, seelsorgerlichen Rat anzunehmen und weiß, dass Glieder am Leibe Christi brüderliche Zucht an sich üben lassen und aneinander üben.

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Kommentare: 1
  • #1

    Reinhard Kremmling (Samstag, 14 Dezember 2019 19:47)

    Ich stehe der MB sehr nahe, bin leider zu inkonsequent für eine Mitgliedschaft. Die Kirche der Zukunft wird keine Alleingänge dulden. Die Ökumene kommt hier viel zu kurz